Karin Vogt

Das Licht schmelzender Monde

schreibend

Wenn du
meine Worte liest...

Wen schaust du an?

Und wer blickt zurück?

Bin ich es, die das letzte Wort spricht?

Oder bist du es, der das Werk vollendet?

Wie viel von mir nimmst du in dir auf?

Und wie viel von dir gibst du hinein?

Kannst du erkennen, wovon ich spreche?

Und kann ich wissen, was du wahrnimmst?

Sieht nicht jeder von uns das,

was bereits in ihm wohnt?

Und wenn du meine Worte liest,

bin dann auch ich bei dir?

 

 

Ich ging fort

Ich kam zurück

Dazwischen war 

Irgendwo

                 Nirgendwo

 

Ich dachte

ich sei

Doch das war nur

ein Traum

 

Und

wenn ich gestern nicht gewesen bin

dann ist heute mein erster Tag. 

 

Born im Nebel

Fotoserie (Auswahl)

Kann ich sein?

Fotoserie (Auswahl)

 

Im nächtlich stillen Halbdunkel

Das Bett als einzige Welt

Füsse am Kopf und Kopf am Fuss

Denn verkehrt herum

Ist nichts falsch

 

Fremde Worte werden zu meinen

                            Gedanken

Müssen keine Richtung weisen

Keinen Sinn erzeugen

Heute nicht

Dürfen fliessen

Strudeln

Und tropfen

 

Die Heizung ist schon lange kalt

Die Wärme kommt

Vom Erinnern deiner letzten Worte an mich. 

 

60 Stunden -
Zeit ohne Schlaf

Fotoserie (Auswahl)

Draussen ist es noch hell, doch mein Zimmer ist verdunkelt. Die Vorhänge zu. Meine Glieder sind bleischwer. Meine Augen brennen. In meinen Ohren summt es leise. In meinem Kopf ist Watte. In wenigen Minuten bin ich 60 Stunden am Stück wach. Drei Tage und Zwei Nächte ohne Schlaf. Nachts als einsamer Streuner unterwegs. Am Morgen zurück in den Alltag. Was bedeutet es, nicht zu schlafen? Wenn der Kopf rund um die Uhr arbeitet. Ohne Pause. Wenn der Körper keine Gelegenheit bekommt, sich auszuruhen. Wie fühlt es sich an, als Streuner durch die Stille der Nacht zu wandern? Ziellos. Noch fünf Minuten, dann endet das Experiment Schlaflos. Eine Erfahrung, deren genaue Bedeutung sich mir wohl erst Stück für Stück zeigen wird. Noch ein letzter Blick auf die kleinen Ziffern in der unteren Ecke des Computerbildschirms; sie zeigen genau 21:00 Uhr. 60 Stunden – Zeit ohne Schlaf.  

Gute Nacht.

 

Und nein

du bist

nicht

weit weg

fast 

ganz weg 

kaum 

noch da 

nein

kaum noch

weit

fast ganz

da.

 

Hör eine Amsel
singen!

Wesen, 

ruf!

Ruf, als ob die Welt wichtig wäre!

Geh! 

Geh, hör eine Amsel singen!

Lebendig.

Und lern dabei, 

wie Wichtigkeit klingt. 

Unermüdlich. 

 

Begegnung, 

das heisst, nicht Denken. 

Im Entdecken der Aufmerksamkeit gewinnt das Dasein. 

Gewinnt etwas, was davor nicht da war. 

 

Da Welt

eine Philosophin ist, 

zusammengebaut für irdische Wesen, 

ist Sinn nur Einbildungskraft. 

Wandern heisst, 

sie interessant zu finden. 

Die Fähigkeit der Neugierde, 

die eigene Wahrnehmungsfähigkeit, 

führt weit weg vom Weg. 

 

Energie

ist ein Tanz, 

zu lernen nur

von einer singenden Amsel.

 

 

Sonntagmorgen am Fluss

Wenn die Bäume noch dunkelgrün

Und die Nebelschwaden wie Geister

 

Wenn nur das Rufen der Krähen

Und das Flügelschlagen der Enten

Dann versuche ich

meine Gedanken am Aufwachen zu hindern. 

 

7 Tage
gegen die 
Untätigkeit

Ungelebte Tage türmen sich hinter mir auf

wie Leichen.

 

Kalte Finger formen Gedanken zu Worten.

 

Mein Schrei liegt stumm neben mir.